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Instagram killed the blog star

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Ich bin enttäuscht. Und das, obwohl ich eine Nacht drüber schlief und eigentlich ein tiefenentspannter Mensch bin. Ich frage mich mal wieder, warum so oft vergessen wird, dass hinter Blogs, Instagram-Accounts und anderen Social-Media-Plattformen ECHTE MENSCHEN stecken. Menschen, keine Roboter oder Captcha-Programme, die man mit der Eingabe der richtigen Zahlen- und Buchstabenreihenfolge ruhig stellen kann.

Um euch kurz zu erklären, warum ich kopfschüttelnd vor dem PC sitze: Vergangene Woche flatterte die Einladung zu einem mehrtätigen Presse-Event in mein Email-Postfach. Man würde sich sehr freuen, wenn ich komme und ich möge mich doch bitte schnell zurückmelden, da die Reise schon bald starte. Gesagt, getan: Ich hatte Lust drauf, da mich auch die Marke sehr interessiert und das Event spannend für mich und den Blog klingt. Ich sagte also noch am gleichen Tag zu und checkte meine Arbeitszeiten bei BILD. Ich tauschte meine Schichten, damit es mir möglich ist, auch die vollen drei Tage des Events anwesend zu sein.

Nachdem ich mich gestern wunderte, wieso von dem Unternehmen noch keine neue Mail mit weiteren Infos und Reisedaten kam, flatterte abends (damit man nicht mehr darauf reagieren kann, not bad!) eine Absage ins Postfach. Ich wunderte mich schon, denn mit einer Blog-Kollegin sprach ich gestern darüber, dass sie schon ihre Flugzeiten wisse – ich hingegen noch nicht. Dumm gelaufen: Die Absage war nicht nur sehr unpersönlich geschrieben, sondern auch sehr komisch. Es hätten sich zu viele Blogger angemeldet. SO WHAT?

Liebe Leser, versteht mich nicht falsch: Es ist völlig okay, wenn ich nicht zu einem Kunden passe. Es ist völlig okay, abgelehnt zu werden – so läuft dieser Job nun mal auch. Aber wenn ich eine Mail bekomme, in der ich zu einem Event eingeladen werde mit der Bitte, ich möge mich schnell melden denn man habe mich soo gerne dabei und würde dann alles weitere gerne mit mir durchgehen, dann gehe ich nicht davon aus, dass drölf Mal mehr Blogger angefragt wurden, als überhaupt teilnehmen können. Ich denke, der Kunde wartete einfach ab, wie viele „größere“ Blogger zusagten und sortierte dann von hinten weg.

Ist ein bisschen so, wie damals im Studium: Wenn dein Text zu lang war, kürzt du von hinten weg. Deswegen sortierst du jede Nachricht so, dass am Anfang das Wichtige steht – und am Ende die Sachen auftauchen, die man getrost löschen kann.

Was mich so wurmt? Dass Menschen keine Kurztexte sind, die man in den Papierkorb legen kann. Wieso nicht wenigstens anrufen und sich persönlich melden? Ich schickte die Mail (ohne Namen und Kundennamen) an eine gute Freundin (hey, ihr würdet es auch machen) und auch sie war fassungslos. Wieso nicht erst mal die Leute anschreiben, die man definitiv dabei haben möchte und dann, wenn Plätze frei werden, aufstocken? Dann lieber mehreren Bloggern vor den Kopf stoßen, aber noch beteuern, dass man „total gerne wieder (!) mit einander arbeiten möchte“. Mir als Freiberufler entsteht dadurch nun leider ein finanzieller Schaden (was sehr vielen Leuten in meinem Berufsfeld so geht, wenn so etwas passiert), da ich Arbeitstage im Büro wegtauschte und nun, ein paar Tage vor dem Event, in zehn kurzen Zeilen vor den Kopf gestoßen werde.

Ich schreibe diese Zeilen auch, um mich mit euch auszutauschen: An die Blogger unter euch – ist das normal geworden? Dieses unpersönliche absagen, dieses „juckt mich nicht, es gibt doch eh genug von der Sorte“? (Leider bekam ich solche Konversationen schon mehrfach offline mit) 

Ich blogge jetzt seit sieben Jahren (Himmel, bin ich alt!), arbeite seit fünf Jahren als Redakteurin bei der BILD, habe hunderte und hunderte von Artikeln veröffentlicht und arbeite sehr gerne in diesem Bereich. Klar, ich habe nicht die 100K bei Instagram, die glitzernd und Einhornduft pupsend jedes Unternehmen betören. Aber ich liebe die Kreativität, die man selbst in dem Beruf ausleben kann. Ich liebe die Tatsache, dass ich mein eigener Chef bin – auch, wenn dieses „Selbstständig sein“ manchmal nicht einfach ist. Aber ich möchte es momentan um nichts in der Welt eintauschen. Trotzdem ist es einfach Schade und auch sehr ermüdend, dass man in der Blogger-Welt nur noch als Zahl gesehen wird.

Bei nächsten Events kann ich mir gerne meine Instagram-Follower auf die Stirn schreiben, damit direkt ausgesiebt werden kann. (Glaubt mir: Bei einem Event vor ein paar Monaten wurde ich nicht nach meinem Namen oder Blognamen oder Themengebiet gefragt, sondern direkt ohne Begrüßung nach meinen Instagam-Zahlen! Da musste ich doch echt schlucken.)

Qualität zählt für viele Unternehmen leider nicht vor Quantität. Oder wieso schnappte sich ein bekannter Kaffee-Hersteller für die Zusammenarbeit eine Bloggerin, die oft beteuerte, keinen Kaffee zu trinken? Hauptsache dein Instagram-Account weist eine dicke Summe an Followern auf – ob sie echt sind, zu deiner Zielgruppe und Marke passen – leider oft unwichtig. NATÜRLICH gibt es zum Glück Ausnahmen, aber ich bekomme so etwas in letzter Zeit fast wöchentlich mit. Die gestrige Mail war da noch der berühmte Tropfen, der das Fass überlaufen ließ.

Ich habe ja schon mal einen ähnlichen Text verfasst – „Was bin ich als Blogger eigentlich noch wert“. Übrigens der meist gelesene Beitrag in all den sieben Jahren hier. Ich frage mich: Ist es zu viel verlangt, daran zu denken, dass hinter all den Accounts Menschen stecken? Die Woche für Woche neue kreative Ideen für ihre Blogs und Follower überlegen? Ich glaube nicht. NATÜRLICH sind wir Blogger auch keine Heiligen, keine Engel auf Erden und machen verdammt viele Fehler – das möchte ich zum Abschluss gerne noch mal betonen. Aber diese flapsige Austauschbarkeit und das reine Bewerten nach Zahlen einer App, die es vor ein paar Jahren noch gar nicht gab – und die meiner Meinung nach keinen Blog-Content ersetzen kann – fühlt sich für mich einfach nicht richtig an.

(Mimimi over and out. Aber manchmal muss man Dinge einfach auf – virtuelles – Papier bringen, wenn sie einen doch sehr beschäftigen.)

Der Beitrag Instagram killed the blog star erschien zuerst auf Ein Zimmer voller Bilder.


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